Im hohen Norden Kanadas, wo die Mitternachtssonne im Sommer und die Nordlichter in der eisigen Dunkelheit des Winters herrschen, lebt seit 15 Jahren ein «weisser Mann» bei den Gwich’in, einer indigenen Volksgruppe. SMG-Mitarbeiter Daniel Bühler wurde über all die Jahre einer von ihnen und darf auch von sich und seinem Glauben an Jesus Christus erzählen. Ein Bericht aus einer abgelegenen Weltregion, die für Mission atypisch ist.
Das 600 Seelen-Dorf Fort McPherson liegt in der unbarmherzigen, aber atemberaubend schönen Natur der kanadischen Northwest Territories. Im Winter wird es hier bis minus 40 Grad kalt. Durch den vielen Schnee wird die Bevölkerung teilweise eingeschlossen. Sie ist in abgelegener Natur mit dem Schneemobil unterwegs – und im Sommer mit dem Boot auf den Flüssen. Die Häuser stehen auf Stelzen, wegen Permafrost wird Trinkwasser angeliefert und Abwasser abgepumpt. Die nächstgelegene, grössere Stadt ist rund 1'000 Kilometer entfernt. Hier in dieser abgelegenen Region lebt das indigene Volk der Gwich’in, und mitten unter ihnen Daniel Bühler.
RUF IN DIE MISSION
Bereits in Jugendjahren schlägt Daniel's Herz für die Mission. Fasziniert von kälteren Regionen möchte der Landschaftsgärtner einmal unter den indigenen Völkern in Nordamerika leben. So nimmt er 1993 an einem Sommer-Missionsprogramm in Alaska teil. Dabei realisiert er, dass er auch im dunklen, kalten Winter dort sein will, um diesen Menschen beizustehen und ihnen von Jesus zu erzählen. Im Rahmen einer Bibelschule zieht es ihn fürs Praktikum wiederum nach Alaska. Doch es kam anders und Daniel landete im Norden Kanadas. Vorerst etwas enttäuscht, findet er aber trotzdem ein Ja zu diesem Einsatzort. Wenn nicht er, wer denn? Ein paar Jahre später verlässt Daniel die Schweiz, um für unbestimmte Zeit unter den Gwich’in zu leben.
EINER VON IHNEN GEWORDEN
Seither sind viele Jahre vergangen. Daniel reiste in den abgelegenen Norden von Kanada nicht um die Einheimischen zu belehren, sondern um von ihnen zu lernen. Seine Aufgabe sieht er in der Arbeit mit Männern, im Teilen des Lebens in allen seinen Facetten. Dazu gehört natürlich auch sein Glaube an Jesus Christus. Er lädt in die Anglikanische Kirche vor Ort ein, geht aber auch zu den Menschen hin. An einem normalen Tag studiert Daniel vormittags die Bibel und die lokale Kultur, um dann nachmittags mit den Gwich’in mitzuarbeiten. So begleitet er die Männer zum Fischen, Fallenstellen, Jagen, Beerensammeln und hilft bei Bauprojekten mit. Mitten im Leben ist Daniel den Männern Freund und Gesprächspartner. Fragt heute jemand vor Ort, wer der Weisse sei, heisst es «der, der von Jesus erzählt», aber auch «der Gwich’in Daniel, der bleibt».
HOHE SUIZIDRATE
Als einer von ihnen leidet Daniel umso mehr mit den Nöten der Gwich’in mit. Die katholische Kirche hat in Kanada viele «Residential Schools» betrieben. Indigene Kinder wurden umerzogen, Gewalt und Missbrauch waren verbreitet. Papst Franziskus reiste kürzlich nach Kanada und bat um Vergebung. Die Auswirkungen der traurigen Vergangenheit sind noch heute zu spüren. Der kanadische Staat übt zwar Wiedergutmachung und sorgt für eine gute öffentliche Infrastruktur, doch viele Gwich’in leben von der Sozialhilfe. Alkoholsucht, Depression und Gewalt sind verbreitet. Unter Männern gehört es fast schon dazu, dass man einmal im Gefängnis landet, denn erst dann ist man ein richtiger Mann. Und dennoch sind die Menschen hier sehr aufeinander angewiesen, dadurch emotional stark miteinander verbunden. Schicksalsschläge und die hohe Suizidrate hängen oft zusammen.
ALS WEISSER UM VERGEBUNG BITTEN
Die Gwich’in benötigen innere Heilung für das Leid, das ihnen in der Vergangenheit widerfahren ist. «Es sind nicht nur der Staat oder einzelne Institutionen in der Pflicht, eigentlich müsste die ganze weisse Rasse Verantwortung übernehmen und um Vergebung bitten», meint Daniel und geht mit gutem Beispiel voran. Er bittet die Gwich’in im Namen Jesu um Vergebung und schenkt damit neue Hoffnung. Dabei darf er erleben, wie einzelne Männer vom Alkohol-Zwang frei werden, wenn sie mit Interesse in die Ortsgemeinde kommen und sich für den Glauben öffnen. Das senkt auch die Kriminalitätsrate, es gibt weniger Streit und tätliche Übergriffe.
WENN NICHT ICH, WER DENN?
Trotz widrigen Umständen darf der christliche Glaube im abgeschiedenen Fort McPherson gedeihen. Auch dank Daniel, der sich immer wieder auf die hoffnungsvolle Seite fokussiert: Die wunderschöne Natur, die lebensfrohen und hilfsbereiten Gwich’in, die gerne lachen und tanzen. Und die Männer, die sich nach seinem Glauben erkundigen. Die Frage «Wenn nicht ich, wer denn?» bestärkt Daniel auch nach 15 Jahren in seinem Dienst unter den Gwich’in.