Die 35-jährige Sandra arbeitet seit über fünf Jahren als Hebamme in einem islamischen Land in Südasien. Im Interview spricht die SMG-Mitarbeiterin darüber, wie es dazu kam und wie sie ihre Arbeit mit den lokalen Patientinnen erlebt. Um ihre Identität zu schützen, haben wir ihren Namen geändert und verzichten auf die präzise Nennung des Einsatzlandes.
Sandra, kannst du dich an das erste Kind erinnern, dem du als Hebamme auf die Welt geholfen hast?
Nein, aber ich kann mich noch gut an die erste Geburt erinnern, die ich während meiner Ausbildung in Bern beobachtete: nicht schön. Sie ging langsam vorwärts und endete als Saugglocken-Geburt.
Das Missionsleben wurde dir in die Wiege gelegt. Wie und wo bist du aufgewachsen?
Als Tochter eines Deutschen und einer Schweizerin bin ich mit fünf Geschwistern in einer Missionarsfamilie in Afrika aufgewachsen. Meine Eltern hatten sich damals bei DIGUNA kennengelernt, einer Partnerorganisation der SMG, welche «Die gute Nachricht» in Afrika verbreitet. Zuerst lebten wir zwölf Jahre im Kongo, danach sechs Jahre in Kenia. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit in Afrika und denke gerne an die Zeit zurück. Als ich 19 Jahre alt war, sind wir in die Schweiz zurückgekehrt.
Was hat dich bewogen, selbst in die Mission zu gehen?
Mein Schlüsselerlebnis hatte ich mit zwölf Jahren: Im christlichen Internat im Kongo hatte sich eine muslimische Mitschülerin aus den Arabischen Emiraten bekehrt! Kurz darauf wurde sie von der Schule genommen und als 16-Jährige verheiratet. Ein paar Jahre später traf ich sie erneut und war beeindruckt, wie stark ihr christlicher Glaube war! Dieser erste Kontakt mit einer muslimischen Person, die nachhaltig zu Jesus gefunden hatte, war für mich eine prägende Erfahrung. Danach wuchs in mir der Wunsch, unter Muslimen zu arbeiten.
Seit fünf Jahren arbeitest du nun in einem christlichen Frauenspital in einem muslimischen Land. Ist das nicht problematisch?
Nein, es wird bereits seit mehr als 100 Jahren toleriert, weil es den Ruf für gute Qualität und eine ehrliche Führung hat. So kommen viele Leute zu uns. Auch Frauen, die eine 20-Stunden-Fahrt auf sich nehmen, weil sie hörten, dass Gott bei uns Heilung bringt.
Welches Geburtsbild haben die Frauen dort?
Es ist sehr durch Islam und Tradition geprägt, die Leute sind auch abergläubisch. Fast jede Schwangere trägt einen Talisman um ihren Bauch. Die Augen der Neugeborenen werden geschminkt, um sie gegen den «Bösen Blick» zu schützen. Die Haare werden rasiert. Einem Baby wird das islamische Glaubensbekenntnis ins Ohr geflüstert: Es soll das Erste sein, was es hört. Deshalb werden manchmal die Ohren der Säuglinge verstopft, bis sie dieses Gebet hören. Dadurch können gesundheitliche Schäden entstehen.
Wie ist es mit dem Stillen?
Es kommt vor, dass Frauen am Stillen gehindert werden – das macht mich wütend, denn es wäre so wichtig! Diese Kinder werden mit Kuhmilch genährt, die nicht abgekocht ist, oft aus verschmutzten Flaschen. So sterben immer wieder Kinder. Dieses Land hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten auf der ganzen Welt, noch vor afrikanischen Ländern oder Afghanistan.
Wie gehst du persönlich mit solchen Praktiken um?
Solange die Praktiken nicht direkt schädlich sind, hüten wir uns davor, sie zu unterbinden, damit – wenn etwas Schlimmes geschieht – die Schuld dafür nicht uns zugewiesen wird. Was ich persönlich unheimlich finde, ist zum Beispiel, wenn eine Frau von der Schwiegermutter angepustet wird, um Geister auszutreiben. Unter Art Trancezustand werden dazu Verse zitiert. Solches finde ich beängstigend.
Ist der Mann bei einer Geburt dabei?
Auf keinen Fall! Da kommt eine weibliche Angehörige, das ist Frauensache. Als Bestimmung und Lebensinhalt der Frau gelten, ihrem Mann Freude zu machen und Kinder zu gebären. Viele fühlen sich wertlos, wenn sie keine Kinder bekommen. Was mir Mühe bereitet, ist das fehlende Verständnis, dass es nicht nur an der Frau liegen kann, wenn sie nicht schwanger wird. Auch wenn ein behindertes Kind oder ein Mädchen zur Welt kommt, wird es der Frau als Fehler angelastet.
Fühlst du dich mehr als Hebamme oder als Missionarin?
Weder-noch, für mich ist das nah beisammen. Besonders, weil wir bei der Arbeit nicht alles in der Hand haben und auf Gott angewiesen sind. Wir beten oft, zum Beispiel für Frauen, die in anderen Spitälern Fehlgeburten hatten und dann zu uns kommen; dass sie hier lebendige Kinder gebären. So dürfen wir Gottes Herrlichkeit sehen, ohne viel dafür zu tun. Eine unserer muslimischen Ärztinnen äusserte, dass sie es einfach nicht verstehe, wie das alles geschehen könne. Wir geben einer Frau Folsäure, und sie wird schwanger. Das macht Gott – und das Gebet begleitet uns täglich.
Nehmen eure Patientinnen sowie Angehörige euren christlichen Glauben wahr?
Wir beten manchmal mit den Frauen, wenn wir Leid und Verzweiflung spüren oder konkret sehen. Oder wir vermitteln sie ans Seelsorge-Team. Dieses hält jeden Morgen eine Andacht, verteilt Traktate und besucht alle Stationen, um für die Frauen da zu sein. Wenn wir beten, tun wir dies immer klar im Namen Jesu.
Eine Geschichte, die ich eindrücklich finde, ist die eines Pärchens: Die Frau konnte lange nicht schwanger werden, und das Paar wollte sich deswegen gemeinsam umbringen. Die Nachbarn erfuhren davon und ermutigten sie, in unser Spital zu gehen. Die Frau wurde dann tatsächlich schwanger! Sie hatten auch Kontakt zu Christen. Was das in ihren Herzen bewirkt hat, weiss ich nicht – Gott arbeitet aber bestimmt im Verborgenen weiter.
Vielen Dank für das spannende Gespräch, Sandra. Wir wünschen dir Gottes Segen und Schutz für deine Arbeit!
VERDECKTE MITARBEITERINNEN
MitarbeiterInnen wie Sandra bietet die SMG eine verdeckte Anstellung. Sie sind in Ländern mit erhöhtem Risiko zur Christenverfolgung im Einsatz. Die Identität sowie der genaue Einsatzort werden nicht veröffentlicht. Die Kommunikation mit den verdeckten MitarbeiterInnen verläuft über neutrale, oftmals verschlüsselte Kanäle.