KINDER IM ARMENVIERTEL VON MANILA LERNEN LESEN

  

Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit, Annahme, Lob, persönliche Beziehung: Viele Kinder in den Armenvierteln von Manila erleben dies nur selten – und nun fallen seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch noch die Beziehungen aus der Schule weg. Aus der Not starteten wir ein neues Leseprogramm. Wir sind erstaunt, was 15 Minuten pro Tag im Leben der Kinder und Eltern bewirken. 

Karte Philippinen

«Wenn ich meinem Sohn sage, er solle die Hausaufgaben machen, tut er’s nicht. Wenn ich ihm drohe, tut er’s nicht. Wenn ich ihn anschreie, tut er’s nicht. Und wenn ich ihn schlage, macht er sie auch nicht.» Dies erzählte mir eine Nachbarin aus unserem Armenviertel in Metro Manila. Ich hatte sie gefragt, wie es ihren Kindern mit Distanz-Unterricht ergehe. Ihre Antwort ist ein Ausdruck der Überforderung, die sehr viele Familien auf den Philippinen kennen. 
Seit März 2020 gibt es strenge Corona-Massnahmen, die für viele aus der Unterschicht zu grossen Einkommenseinbussen geführt haben. Der Schulunterricht findet nur noch online oder mit Arbeitsblättern zuhause statt. Wer sich Smartphone und Internet nicht leisten kann, dem bleiben nur die Arbeitsblätter, welche selbständig ohne Input einer Lehrperson bearbeitet werden. Die Eltern in unserem Armenviertel können ihren Kindern schulisch nicht helfen, weil sie meist nicht gebildet und die Aufgaben nicht altersgerecht sind. Dieser Missstand erschütterte uns. Wie können wir als Christen helfen? 

DIE LERNMETHODE MACHT DEN UNTERSCHIED
Als die Schulen zu Beginn der Pandemie für sieben Monate geschlossen waren, startete unsere Freundin Maria für ihren Sohn und ein paar Nachbarskinder eine kleine Nachmittagsschule. Wir unterstützten Maria dabei. Nach einem halben Jahr konnten wir trotz grossem Effort bei den sechs- und siebenjährigen Kindern nur wenige Fortschritte erkennen. 

Darum starteten wir ein neues Leseprogramm, bei dem wir die Kinder täglich einzeln zuhause für je 15 Minuten besuchen. Jedes Kind kann in seinem Tempo lesen lernen. Die Kinder lernen selber zu denken und dass es nicht darum geht, das von der Lehrperson Vorgesagte zu wiederholen. Durch den täglichen Hausbesuch und die auf Selbstwirksamkeit aufbauende Lernmethode sind bereichernde Beziehungen entstanden. Wir durften rasche Lernfortschritte feststellen, und auch herausfordernde Kinder machen überraschend gut mit. 

 

 

MIT EINBEZUG VON EINHEIMISCHEN 
Kurz darauf brachten wir diese Lernmethode Frauen aus der Nachbarschaft bei. Sie besuchen seither täglich je bis zu neun Kinder. Diese Lehrerinnen erhalten für ihre Arbeit einen kleinen Lohn, ein willkommener Zustupf in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.  

Unsere Freundin Maria kennt unser Quartier sehr gut, weil sie hier täglich Frühlingsrollen verkauft und sich für Kinder und Familien interessiert. So konnten wir viele Kinder in unser Leseprogramm aufnehmen, die bereits aus dem Bildungssystem herausgefallen waren. Es ist wunderbar mitzuerleben, wie sie aufblühen, wenn sie Aufmerksamkeit, Zuwendung, Annahme und Erfolg erleben können. Die Eltern sind dankbar, dass ihre Kinder gerne lesen lernen wollen und Fortschritte machen. Das ist ein grosser Kontrast zu den vielen Überforderungen, die gerade Familien mit lernschwächeren Kindern in der öffentlichen Schule erleben. 

 

 

SCHÖNER KONTRAST IN DER NOT 
So erleben wir Schönes. Zum Beispiel drei schüchterne Frauen, die auf uns zukommen, weil sie gerne Kindern das Lesen beibringen möchten – und die dabei aufblühen und neuen Selbstwert entdecken. Gleichzeitig sehen wir aber auch viel Not in unserem Armenviertel, nicht nur finanziell, sondern auch sozial. Zwei Lehrerinnen haben ihre Familien plötzlich verlassen, weil sie von ihren Ehemännern geschlagen wurden. Die anderen Lehrerinnen haben deren SchülerInnen jedoch unter sich aufgeteilt, damit der Leseunterricht weitergehen kann.  

Wir verstehen uns von Gott eingeladen, sowohl mit Schönem wie auch Schwerem zu Ihm zu kommen. Das Gute mit unseren Freunden und Nachbarn zu feiern und das Bedrückende miteinander zu tragen. Und nicht zu vergessen, was täglich 15 Minuten Aufmerksamkeit im Leben eines Kindes bewirken können. 

 

AUSWIRKUNGEN VON COVID-19
MitarbeiterInnen und Projekte der SMG sind weiterhin von Covid-19 betroffen. In etlichen Ländern haben zum Beispiel Schulen und Heime nach wie vor geschlossen. Bei vielen Institutionen und Organisationen fallen wichtige Gelder weg. Die Einreise ins Einsatzland ist für einige MitarbeiterInnen erschwert. Die Solidarität macht auch eineinhalb Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie einen Unterschied. Mit deiner Spende kann die SMG MitarbeiterInnen und Projekte mitfinanzieren und durch Covid-19 entstandene Defizite ausgleichen. 

Infobox Stankowski

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