Licht in der Dunkelheit

Riberalta liegt im Nordosten Boliviens am grossen Fluss Beni. Die Stadt hat ca. 130‘000 Einwohner. Als ich vor 40 Jahren in Riberalta angekommen war, waren es erst 30‘000 gewesen... Und unser Haus nur zwei Häuserblocks vom Urwald entfernt – inzwischen muss man kilometerweit fahren, bis dieser nur in Sicht kommt.

Geschichte unseres Missionsdienstes

Vor bald 41 Jahren war ich zum ersten Mal nach Bolivien ausgereist, nach Guayaramerin, einem Städtchen an der brasilianischen Grenze. Damals begann ich meine Arbeit in einem Missionsdienst (Libreria La Palabra), welcher vor allem für seinen christlichen Bücherladen sowie für Kinderlager bekannt war. An verschiedenen Schulen hatte ich Religionsunterricht erteilt. Auch hatte ich eine Kinder-/Jugendgruppe geleitet. Es war eine herrliche Zeit gewesen! Dann lernte ich zwei Lehrerinnen kennen, die mit Gehörlosen arbeiteten. Da bei ihnen Personalmangel herrschte und ich mich sehr für diese Arbeit interessierte, wurde ich nach Riberalta an jene Gehörlosenschule «ausgeliehen». Daraus sind schliesslich 9 Jahre geworden – und dort habe ich auch meinen Mann kennen gelernt. Ein gehörloser Missionar aus der Schweiz hat dann diese Schule übernommen.

Nach der Ausbildung meines Mannes als Pastor, arbeiteten wir zusammen im Gemeindebau. Obwohl wir keine eigenen Kinder hatten, füllte sich unser Haus mit Kindern und Jugendlichen, welche Zuhause Schwierigkeiten hatten oder die von weit her vom Land kamen und hier zur Schule mussten. Später, als ich dann mit Gefängnisbesuchen begonnen hatte, kamen auch noch Kinder von Gefangenen hinzu. Oft kamen auch kranke Menschen, die Betreuung brauchten, zu uns. Wenn wir zurückschauen, dann staunen wir, wie treu unser HERR uns immer durchgetragen hat, und wie ER uns auch versorgt hat mit allem, was wir brauchten. Es ist ein interessantes Abenteuer, mit unserem Herrn Jesus Christus unterwegs zu sein.

Gehörlosenschule, Gemeindebau und vieles mehr...

Gemeinde, Gefängnis und Altersheim

Heute liegt unser Arbeitsschwerpunkt weiterhin in der Gemeindearbeit. Aber ganz wichtige Teilaufgaben wurden für uns die Besuche im Gefängnis und im Altersheim, beides sind so trostlose Orte. Das Gefängnis ist total überfüllt: Ursprünglich für 32 Personen berechnet, sind dort rund 180 Gefangene zusammengepfercht. Anfangs nahm ich Frauen aus der Gemeinde mit, die mit den Frauen im Strafvollzug nähten und häkelten. Inzwischen besorgen sich einige ihr Material selber und verkaufen ihre Erzeugnisse, um so einen kleinen Nebenverdienst zu erwirtschaften. Bei unseren wöchentlichen Besuchen gestalten wir jeweils einen kleinen Gottesdienst. Der Lobpreis nimmt dabei einen grossen Stellenwert ein. Es ist eindrücklich zu erleben, wie durch das Singen Spannungen gelöst und Gespräche ermöglicht werden.

Im staatlichen Altersheim kümmert sich eigentlich Niemand um die Bewohner. Die, die im Rollstuhl sind, sitzen den ganzen Tag da und schauen vor sich hin. Die, die noch gehen können, gehen oft auf den Markt und betteln, um das eintönige Menü ein wenig zu bereichern. Um 18:00 Uhr verlassen die wenigen (schlecht bzw. nicht ausgebildeten) Angestellten das Heim und kommen erst um 8:00 Uhr morgens wieder zurück. Wenn es Notfälle gibt, ist gar Niemand da. So ist es schon öfters zu Unfällen und Todesfällen gekommen. Einmal in der Woche halten wir auch dort einen Gottesdienst und bereiten anschliessend ein kleines Abendessen zu. Die Senioren freuen sich sehr über den Besuch und haben dann so viel zu plaudern. Einige Geschwister aus der Gemeinde begleiten uns jeweils. Oft sind auch Wunden zu pflegen, oder Haare und Nägel zu schneiden – spezielle aber auch grundsätzliche Betreuung und Pflege, welche diese Menschen grösstenteils nicht erhalten. Ein Beispiel:  

Einmal lag Don German (der älteste Pensionär, im Mai 2018 wird er 100 Jahre alt), mit geschlossenen Augen im Bett. Die Altersheim-Angestellten dachten, er liege im Sterben und gaben ihm seit zwei Tagen nur noch eine Zucker-Salzlösung zu trinken. Als ich vorbei ging, hatte er die Augen offen. Da fragte ich ihn, ob er eine Fleischtasche essen wolle. «Oh, ja gerne», meinte er, «aber ich möchte mich aufsetzen. Die hier geben mir nichts zu essen, nur dieses Wasser.» Gierig ass er die Empanada auf, dann sagte er: «Habt ihr noch mehr, ich habe Hunger?!» Die Köchin, die dazu kam, war ganz erstaunt, dass er ass. Eine Woche später ging es ihm wieder gut. 

Gottes Licht für die Menschen

Was uns immer wieder motiviert, für diese uns anvertrauten Menschen da zu sein, ist die Liebe Jesu Christi – ER stattet uns immer wieder mit dieser Liebe für die Mitmenschen aus. So wird es uns möglich, einfach praktisch zu dienen wo wir sind, mit dem was wir haben und tun können aus der Kraft Gottes heraus. Das ist nicht immer so einfach, vor allem wenn zu jeder Tages- und Nachtzeit die Hilferufe kommen – sei es an Krankenbetten im Spital oder bei Sterbenden bei sich zuhause. Aber wir dürfen immer wieder erleben, dass das Wort Gottes und das Gebet nachhaltig Trost und Stärkung schenkt, um diese oft schwierigen Wege immer wieder zu gehen.

«Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.» (Psalm 119: 105)
Möge doch dieses Wort noch Vielen in der Dunkelheit Licht bringen!