Licht und Schatten bei den Gwich’in

Missionsgeschichte im "hohen Norden" Kanadas

Der Norden Kanadas wurde vor über 100 Jahren von römisch-katholischen und anglikanischen Missionaren evangelisiert. Von Männern, die härteste Bedingungen und Einsamkeit auf sich genommen hatten, um den Menschen dort die Frohe Botschaft zu bringen! Mit den Jahren sind diese Organisationen zum Teil zu einem Werkzeug des Kolonialismus geworden. Unter den damit zusammenhängenden Missbräuchen leiden die Bewohner im Norden von Kanada bis heute... Vor allem die ältere Generation hatte noch erlebt, wie das «Missionsschiff» kam und die Kinder zur «Residential School» brachte. Einige Kinder durften zwar Gutes erleben in diesen Internatsschulen, anderen aber blieb diese Zeit als sehr schwierig, eher zerstörerisch für ihr Leben, im Gedächtnis. Alle haben Erinnerungen an diese Zeit... Ein Mann erzählte mir, dass er 3‘000 Mal in die Kirche gehen musste, und das genüge ihm nun für sein ganzes restliches Leben!

Trotz allem werden die ersten Missionare auch immer noch hochgeschätzt – weil sie anfangs die Bibel ins «Gwich’in» (Sprache der hiesigen Urbevölkerung) übersetzt hatten. Dieses Werk war/ist ein wichtiger Teil, die fast verloren gegangene Sprache wieder neu zu beleben. Im Gegenzug war es aber dann in den Missionsschulen (z.T. unter Androhung furchtbarer Strafen) verboten worden, Gwich‘in zu sprechen. Sie war als Sprache des Teufels bezeichnet worden! Durch diese Vergangenheit ist die Beziehung zwischen Indianern und Weissen sehr belastet – es braucht viel Zeit, um Vertrauen aufzubauen. In meiner Umgebung leben zwei verschieden Kulturen: die Gwich’in-Indianer und die Inuit. Die beiden Volksgruppen sind sich einerseits ähnlich, und anderseits doch sehr verschieden. Letzten Sommer verbrachte ich einige Zeit in einem Inuit-Dorf, wo ich erlebt habe, wie anders sie doch gegenüber den Gwich‘in sind, unter denen ich sonst arbeite.

SEND North im "60/70-Window"

Die Arbeit im Norden Kanadas ist nicht ganz einfach zu erklären. Wie bereits einleitend gesagt, ist diese Region vor über 100 Jahren evangelisiert worden. Viele Leute wissen etwas über die Bibel und über Gott. Weil aber die Ortschaften hunderte von Kilometern voneinander entfernt sind und es nur wenige Strassenverbindungen gibt, sind sie von den grösseren christlichen Gemeinden «abgeschnitten». In vielen Orten gibt es zwar noch eine Kirche, aber die Gemeindeleiter vor Ort fehlen... Prediger zu finden, die so abgeschiedenen leben wollen, ist ein Problem. Auch bei meiner Partner-Organisation SEND North besteht dieselbe Problematik. Unser Ziel ist es, die Menschen im «60/70 Window» zu erreichen. Dies betrifft Regionen in den USA/Alaska, und in Kanada Yukon, Nordwest-Territorien sowie Nunavut – ein riesiges Gebiet, das bereits rein geographisch sehr herausfordert!

Mission heute: Jüngerschaft

In unserer Arbeit legen wir vermehrt Wert auf die Nachfolge Jesu Christi und entsprechende Jüngerschaftsschulung. Da Suchterkrankungen mit allen Folgeproblemen sehr häufig in den von uns betreuten Dörfern vorkommen, sehen wir unsere Aufgaben im Begleiten von Personen; ihnen zu helfen, immer wieder neu «aufzustehen», und sie immer wieder zu ermutigen, Jesus nachzufolgen. Oft geht es recht gut, bis ein Rückfall kommt und wir für einige Zeit den Kontakt zu der Person verlieren… Ein älterer Mann sagte mir, dass es am besten sei, wenn Leute in jüngeren Jahren sich für ein Leben mit Jesus entscheiden. Er meinte, dass sie dann viele Fehler und Folgen lebenszerstörerischer Entscheide nicht würden durchleben müssen. Ja, das wäre natürlich das Beste! In unserer Gemeinde gibt es – Gott sei Dank – auch einige Leute, die trotz Suchtproblemen zu Jesus finden konnten. Der ältere Mann meinte das wohl in Bezug auf einen jungen Mann, der sich seit seinem Teenageralter ganz für Jesus einsetzte. Umso grösser war der Schock, als dieser junge, 22-jährige Mann vergangenen Winter starb. Trotz der Tragik wurde die Abdankung zu einem Fest. Ich hoffe und bete, dass sein Leben für viele andere zu einem Anstoss wird, ganz Jesus nachzufolgen!

Text und Fotos: Daniel Bühler, Kanada