Sie arbeiten für Menschen in der Cité Soleil in der Karibik. Was nach einem Ferienresort tönt, ist in Realität der riesige Slum von Port-au-Prince, der Hauptstadt des leidgeprüften Landes Haïti. Jonathan Meyer (Landwirt, 31) und seine Frau Flore (Lehrerin, 27), Mitarbeiter-Ehepaar der SMG, wollten Gott eigentlich in Afrika dienen.
Nach einem ersten Aufenthalt in Haïti wuchs aber die Überzeugung, dass ihr Platz dort ist. In dem Land, das Meyers momentan als völlig gelähmt erleben. In den letzten Jahren hat sich die Sicherheit in Haïti massiv verschlechtert, und die Menschen leiden darunter. Dass der bestbewachte Mann im Land, Präsident Jovenel Moïse, im Juli ermordet werden konnte, trifft sie noch tiefer. Mitte August wurde Haïti zusätzlich von einem starken Erdbeben erschüttert.
BESUCHE EMPFANGEN STATT HINAUSZUGEHEN
Meyers können bis heute ihr Haus kaum verlassen. Besuche und Einsätze in den Slums sind aus Sicherheitsgründen immer noch nicht angesagt. Die Kommunikation bleibt schwierig. Jetzt müssen meist Einheimische für sie zu den Menschen in der Cité Soleil gehen. Dank ihrer Mitarbeiterinnen konnten immerhin Lebensmittel verteilt werden und sogar ein Hausbau für eine ältere Person begonnen werden. Statt zum Lokal in den Slums kommen jetzt einige Menschen zu Meyers nach Hause, damit die Kontakte nicht völlig abbrechen. «Schon die Corona-Krise war ein massiver Einschnitt in unsere Arbeit, bei der es darum geht, Familien in der Nachfolge von Jesus Christus zu fördern», berichteten die beiden im Gespräch mit IDEA via instabile Internetverbindung. Seit drei Jahren wohnen sie in Port-au-Prince und haben zwei Kleinkinder. Einmal mussten sie bereits umziehen, weil die Gewalt in ihrem damaligen Quartier so stark zugenommen hatte. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich kaum etwas verändert, aber Meyers bleiben dran.
UMGANG MIT BANDEN
Weil die Cité Soleil in Bereiche verschiedener Banden aufgeteilt ist, wo sich die Polizei nicht hinwagt, waren Meyers schon von Beginn weg darauf angewiesen, die Bandenchefs kennen zu lernen. «Es ist eine Gratwanderung für uns. Wir sind einerseits auf den Schutz durch die Bandenchefs angewiesen, andererseits wollen wir uns nicht mit ihnen verbünden. Klar ist für uns, dass wir kein Schutzgeld bezahlen», stellt Jonathan fest.
NOTHILFE AUF DEM WEG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT
«Wir möchten Menschen hier nicht von uns abhängig machen. Deshalb wollten wir zu Beginn unseres Dienstes auch keine Lebensmittel verteilen», erklärt Jonathan Meyer. Doch alte und schwache Menschen praktisch am Verhungern zu sehen, habe ihre Praxis verändert. Heute ist Nothilfe Teil ihres Dienstes. Diesen üben sie im Rahmen des Schweizer Vereins Iris Port-au-Prince und in Zusammenarbeit mit der SMG aus. Sie verfolgen das Ziel, Familien in Haïti zu unterstützen, damit Eltern für ihre Kinder sorgen können. In einer ganzheitlichen Sicht bringen sie mit Nahrung Hilfe, fördern die Familien im Leben mit Jesus Christus, tragen zur Schulbildung und medizinischen Versorgung bei und organisieren Mikrokredite. Mitten in all diesen Engagements wollen sie sich immer Zeit nehmen können für den Nächsten, der in Not ist.
SOLIDARITÄT NACH ERDBEBEN
Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser und Kirchen sind beim starken Erdbeben vom 14. August 2021 eingestürzt. Die Auswirkungen sind drastisch. Besonders der südliche Teil der Insel ist sehr stark betroffen. Meyers waren berührt, als sie sahen, wie Haïtianer aus einer Gemeinde sich für ihre Brüder und Schwestern einsetzten und fast 700 Säcke mit Lebensmitteln für das Katastrophengebiet bereitstellten. Das Land ist nach wie vor erschüttert, und es ist schwer zu sagen, wie sich die Dinge entwickeln werden.